Kunststoffe in der Landwirtschaft

Mulchfolien beschnitten

Die Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffe sowie die in den Ozeanen treibenden Plastikinseln sind in der öffentlichen Wahrnehmung das Sinnbild für die Verschmutzung unserer Umwelt durch Kunststoffe geworden. Im Gegensatz dazu erhalten Kunststoffe im Boden erst seit Kurzem vermehrt Aufmerksamkeit. Eine Studie des Institute for European Environmental Policy geht davon aus, dass sich im Vergleich zu den Ozeanen an Land geschätzt die vier bis 32-fache Menge an Mikroplastik befindet. Diesen Schätzungen zufolge gelangen damit jährlich zwischen 63.000 und 430.000 Tonnen Mikroplastik über landwirtschaftlich genutzte Flächen in Europa in die Böden. Laut Europäischer Kommission (2018) entstehen in Europa jährlich Kunststoffabfälle in Höhe von rund 25,8 Mio. Tonnen. Weniger als 30 % dieser Abfälle werden für das Recycling gesammelt. Der Anteil der Landwirtschaft am gesamten Kunststoffabfallaufkommen in der EU liegt bei 5 %.


Die Verunreinigungen im Boden entstehen sowohl durch primäres als auch sekundäres Mikroplastik. Primäres Mikroplastik gelangt durch Klärschlamm und Düngemittel in den Boden, während sekundäres Mikroplastik durch den Zerfall von in der Landwirtschaft eingesetzter Kunststoffe (z.B. Mulche, Gewächshäuser) oder durch Kunststoff verunreinigten Biohausmüll in die Böden gerät.


Die Auswirkungen von Mikroplastik auf terrestrische Ökosysteme sind noch weitestgehend unbekannt. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass Mikroplastik die Bodenqualität verschlechtert, Bodenorganismen in ihrer Fortbewegung hindert und diese plastischen Stoffe durch ihre Nahrung aufnehmen. Neben der Schädigung von Ökosystemen verringert Mikroplastik auch die Nutzbarkeit landwirtschaftlicher Böden. Der neue Aktionsplan der Europäischen Union für Kreislaufwirtschaft (2020) sieht vor, dass sich die EU den Auswirkungen von Mikroplastik stärker widmen und hierzu Maßnahmen und Regelungen erarbeiten wird.

 

Unser Stakeholderprozess

Im Rahmen unseres Projektes „Kreislaufwirtschaft in Österreich stärken“ haben wir 2019-2022 einen bundesweiten Multi-Stakeholder-Prozess zum Thema Kunststoffe & Mikroplastik - Kreislaufführung in der Landwirtschaft am Beispiel von Kunststoffen. Unser Stakeholderprozess hatte zum Ziel, für die Möglichkeiten der Kreislaufführung von Kunstoffen in der Landwirtschaft zu sensibilisieren, relevante Akteur:innen entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs zu identifizieren und zusammenzubringen, die Herausforderungen gemeinsam mit den Betroffenen zu identifizieren, mögliche Zielkonflikte aufzeigen und erste Lösungsansätze im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu diskutieren.

Multi-Stakeholder-Prozess 

Kunststoffe & Mikroplastik

Kreislaufführung in der Landwirtschaft am Beispiel von Kunststoffen


Die Schwerpunktsetzung des Prozesses folgt den Prioritäten einer Kreislaufwirtschaft. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, dass Rohstoffe innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs wiederverwendet und recycelt werden und am Ende kaum noch Abfälle entstehen. Die Vermeidung hat – auch entsprechend der Abfallhierarchie -in der Betrachtung oberste Priorität.

Ergebnisse des Stakeholderprozesses

Plastiktunnel. c Danil Evskyi shutterstock.com beschnitten verkleinert

 

Während des Prozesses haben sich vielfältige Eintragsquellen gezeigt, die einerseits in einem direkten Zusammenhang mit der Landwirtschaft stehen, wie etwa bei Mulch- und Silofolien, Polymerummantelungen für Saatgut oder Pflanzendünger. Andererseits gibt es zahlreiche Quellen außerhalb des Einflussbereiches der Landwirtschaft. Dazu zählen insbesondere Reifenabrieb und Littering. Im Fall von Kompost und Klärschlamm kommt es zwar zu einer landwirtschaftlichen Verwertung, jedoch wird zu einem weit früheren Zeitpunkt das Ausgangsmaterial mit Kunststoffen kontaminiert.

Das genaue Ausmaß der Kunststoffeinträge lässt sich nur abschätzen. Genaue und vergleichbare Daten sind nur unzureichend vorhanden. Auch sind die genauen Auswirkungen nicht ausreichend erforscht. Um diese Wissenslücken zu schließen, wurden Projekte wie PLASBO oder MINAGRIS gestartet, die sich einerseits mit der Harmonisierung der Monitoring Methoden für Plastik und Mikroplastik in Böden einsetzen und andererseits die Auswirkungen von Kunststoffen in landwirtschaftlichen Böden untersuchen. Eine genauere Untersuchung der Kunststoffanwendungen in der Landwirtschaft erfolgte in Deutschland durch eine Studie des Frauenhofer UMSICHT-Instituts in Zusammenarbeit mit Ökopol im Auftrag des Naturschutzbundes Deutschland.

Bei den Eintragsquellen bzw. Kunststoffanwendungen zeigt sich in vielen Fällen ein sehr geringes Potenzial zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Reifenabrieb und Polymerummantelungen in Bodenverbesserern, Pflanzenschutzmittel oder Saatgut sind nicht dazu geeignet im Sinne einer Kreislaufwirtschaft verwendet zu werden, da die Kunststoffe unwiederbringlich direkt im Boden eingebracht werden. Lediglich bei den in der Landwirtschaft eingesetzten Folienprodukte wie Mulch- und Silofolien besteht ein entsprechendes Potenzial, die Kunststoffe einer Wiederverwendung bzw. einem Recycling zuzuführen. Im Falle von Kompost und Klärschlamm, bei denen eine landwirtschaftliche Verwendung grundsätzlich dem Sinne einer Kreislaufwirtschaft entspricht, sind Maßnahmen gefragt, die dazu geeignet sind Kunststoffeinträge in das Ausgangsmaterial zu vermeiden.

Aufgrund der unzureichenden Kenntnisse über das Ausmaß der Kunststoffbelastung und deren Wirkung gilt es präventiv, entsprechend der Abfallhierarchie, Kunststoffe dort, wo dies möglich ist, zu vermeiden und ansonsten durch biologisch abbaubare Kunststoffe zu substituieren und/oder einem Recycling zuzuführen. Die in Kapitel 8 zusammengefassten ersten Lösungsansätze bilden einen breiten Ansatz, der nicht nur den Bereich Landwirtschaft betrifft, sondern die anderen relevanten Akteur:innen, wie die Forschung, Verpackungsindustrie, die Politik und die Gesetzgebung ansprechen.

Anhand der gewonnenen Erkenntnisse hat der Umweltdachverband mehrere Handlungsempfehlungen formuliert, die seines Erachtens zur Vermeidung von Kunststoffeinträgen in landwirtschaftliche Böden und zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft beitragen.

Die vollständigen Ergebnisse des Stakeholderprozesses finden sich im Working Paper zu Kunststoffe und Landwirtschaft

 

Kontakt: Mag.Paul Kuncio

 

Quellen

Bertling, Jürgen/ Zimmermann, Till/ Rödig, Lisa (2021): Kunststoffe in der Umwelt: Emissionen in landwirtschaftlich genutzte Böden. Oberhausen, Fraunhofer UMSICHT (Hrsg.).

Susanna Gionfra (2018): Plastic pollution in soil, IEEP (Hrsg.).

Europäischer Kommission (2018): Eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft.

MINAGRIS – Micro- and Nano-Plastics in Agricultural Soils (2022): Sources, environmental fate and impcats on ecosystem services and overall sustainability. 

Umweltbundesamt (2022): Harmonisierte Methoden für Plastik und Mikroplastik in Böden – PLASBO.

Bildquelle

Plastiktunnel, (c) Danil Evskyi, shutterstock.com.

Zusätzliche Literatur

BMK (2022): Aktionsplan Mikroplastik.

Kalberer, Andreas/ Kawecki-Wenger, Delphine/ Bucheli, Thomas (2019): Plastik in der Landwirtschaft. In: Agroscope Science Nr. 89, 2019.

Liebmann, Bettina (2015): Mikroplastik in der Umwelt. Wien, Umweltbundesamt GmbH.

Sexlinger, Katharina/ Humer, Monika /Scheffknecht, Christoph (2019): Kunststoffe im Boden. Bregenz, Amt der Vorarlberger Landesregierung (Hrsg.).

Sexlinger, Katharina/ Liebmann, Bettina (2021): Mikroplastik in Klärschlamm. Wien, Umweltbundesamt GmbH.

Stubenrauch, Ekardt (2020): Plastic Pollution in Soils: Governance Approaches to Foster Soil Health and Closed Nutrient Cycles.

Handlungsempfehlungen:

  1. Sektorenübergreifender Ansatz bei Maßnahmen zur Vermeidung von Kunststoffeinträgen und zur Stärkung der Kreislaufführung von landwirtschaftlichen Kunststoffanwendungen.
  2. Ausbau der Grundlagenforschung mit ausreichender Finanzierung, um die Datenlage zu verbessern und das Wissen über die Auswirkungen auf den Boden auszubauen.
  3. Schaffung einer standardisierten Bodenuntersuchung, damit Grenzwerte nach einem anerkannten Standard bundesweit festgelegt werden können.
  4. Identifikation unnötiger Kunststoffprodukte und von Produkten mit guten Alternativen (Substitute).
  5. Stärkung des Recyclings bei Kunststoffanwendungen im Bereich der Landwirtschaft, eventuell über die Einführung eines Systems der erweiterten Herstellerverantwortung.
  6. Festlegung einer ausreichenden Abbaubarkeit aller umweltoffener Kunststoffanwendungen.
  7. Vermeidung von intendiertem Mikroplastik in der Landwirtschaft.
  8. Bildungsinitiative über die Pflichten zur Vermeidung und Verringerung von Kunststoffeinträgen im Bereich der Landwirtschaft sowie über kunststoffemissionsfreie Praktiken in der Landwirtschaft.